Es gibt toskanische Weingüter, die sich rühmen, seit dem 15. Jahrhundert in Familienbesitz zu sein. Nichts Besonderes - Christelle Connes Familie winzert auch seit dieser Zeit. Das müssten über den Daumen gepeilt zwanzig Generationen sein. Altehrwürdig ist auch der Degustationskeller in Chexbres, wo Christelle Gäste zu Degustationen empfängt. Stattliche Fässer säumen die Wand, ein Gewölbe schliesst gegen oben ab. Das Licht dringt durch ein farbiges Glasfenster ins Innere. Es wurde von einem Künstler gestaltet, der sonst Kirchenfenster angefertigt hat. So wirkt der Raum fast ein wenig feierlich.
«Der Chasselas bleibt immer unsere Rebe.»
Wer soviel Tradition im Rücken hat, darf darauf vertrauen, muss nicht den Moden nachrennen oder das Rad neu erfinden. So ist denn der Sortenspiegel in Christelles Weinbergen mehrheitlich traditionell. Das heisst, dass hier der Chasselas den Ton angibt. «Der Boden ist perfekt für Chasselas. Er wird immer unsere Rebe bleiben.» Auch Stilfragen sind für Christelle kaum ein Thema. «Ich habe genug damit zu tun, mich mit den unterschiedlichen Jahrgängen und ihrer Typizität zu befassen.» Und dann gibt es für sie noch ein rotes Tuch: «Das Gerede um sogenannte Frauenweine kann ich nicht ausstehen.» Hundert Punkte für Christelle Conne. Christelles Weg war nicht schnurgerade auf den Wein ausgerichtet. Erst hat sie sich in Sierre auf touristischem Gebiet ausgebildet. Später hat sie sogar einmal bei Rivella gearbeitet.
«Lion d’Or» & «Brasserie des Négociants».
Es gibt keine Winzerinnen oder Winzer, die nicht ein besonderes Flair für Restaurants haben. Das liegt in der Natur der Sache. Christelle mag die Brasserie «Lion d'Or» in Chexbres, ein Dorfrestaurant mit liebevoll zubereiteten, aber geerdeten Gerichten - und natürlich massenhaft lokalem Wein. In Vevey ist es die «Brasserie des Négociants». Sie brilliert mit ihren Röstis, im Herbst auch mit Wild- und Pilzgerichten. Dazu mag sie das «Demi-Lune» in Chardonne, das vom initiativen und umtriebigen Philippe Verdan geführt wird.
Wellness open-air.
Die Aussicht von Christelles Degustationskeller ist - wie meistens in der Gegend- überwältigend. Ihr Nachbar, die Domaine Bovy, hat einem jungen Startup Gastrecht gewährt, das hier «Swiss Wine Therapy» anbietet. Dabei geht es nicht allein um innerliche Anwendung. Auf einem Rost stehen zwei Kupferbadewannen, in denen man open air wellnessen und den Seeblick geniessen kann - was natürlich einen kleinen Schluck zwischendurch nicht ausschliesst.
Chillen am See? Rivaz!
Und was tut Christelle Conne, wenn sie weder arbeitet noch in den Restaurants ausspannt? Ganz besonders gerne unternimmt sie Spaziergänge in den Reben, ganz ohne Ziel. «Es hat bei uns unzählige Weglein in den Weinbergen. Überhaupt ist bei uns alles sehr engmaschig gestrickt. Manchmal sind die Leute davon enttäuscht. Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse, können keine Show bieten. Es bleibt immer ein wenig mysteriös, streng, ein wenig protestantisch angehaucht.» Der Genfersee hat Christelle Conne geprägt. «Es gibt keine bevorzugte Jahreszeit, um an den Genfersee zu kommen. Es ist immer interessant und abwechslungsreich.» Wie ihre Kollegin Christin Rütsche, die wir neulich hier porträtiert haben, liebt Christelle das Verweilen am See. Während es für Christin Cully ist, zieht Christelle Rivaz vor. «Es ist völlig unspektakulär hier. Aber einfach schön.»
Stephan Thomas für Gault & Millau
Ihr Weinkeller